Südsee: Der erste Kontakt
Wie ihr wisst, befinde ich mich gerade in der Südsee, wo ich insgesamt vier Monate verbringe, davon zweieinhalb in Französisch-Polynesien. Ich reise allein und mit rudimentären Französischkenntnissen. Wie es zu dieser Reise kam, ist eine Geschichte für sich. Vielleicht erzähle ich sie euch auch einmal. Meine erste Station ist Moorea, die Schwester-Insel von Tahiti, gerade einmal siebzehn Kilometer von dieser entfernt. Tahiti selbst werde ich auf meiner Reise noch mehrmals ansteuern und erkunden.
Nach Moorea gelange ich mit der Fähre. Durch einen Pass im Saumriff laufen wir in die Lagune ein und nähern uns dem Hafen Vai‘are. Steil und grün erhebt sich vor uns der achthundert Meter hohe Gebirgszug, gekrönt von dem etwa zwölfhundert Meter hohen Mont Tohiea, dem höchsten Berg Mooreas. Hier und da stechen hell gestrichene Häuser aus dem Grün heraus. Die Lagune ist tintenblau und wechselt zum Land hin ins Grünliche. Links vom Haupthafen, den die Fähre ansteuert, markiert ein Wald aus Masten den Yachthafen. Mein Blick schweift zu den steilen Hängen, die vom dichten Bergregenwald bedeckt sind. Es ist ein besonderes Gefühl, diese fremde Landschaft nicht auf einem Bild im Reiseprospekt oder in einer Fernseh-Dokumentation zu sehen, sondern unmittelbar vor mir, greifbar und riechbar. In meiner Brust kribbelt es, ich realisiere, dass ich tatsächlich in der Südsee abgekommen bin. Et voilà!
Während meiner ganzen Reise werde ich hauptsächlich in Privatunterkünften schlafen – aus Kostengründen, aber auch um der Authentizität willen, denn für einen Resort muss ich nicht um die halbe Welt fliegen. Auch auf Moorea erwartet mich ein Ferienhaus neben dem Haus der gastgebenden Familie, fünf Fahrminuten vom Hafen entfernt. Mein Gastgeber Gilles holt mich von der Fähre ab. Er ist ein etwa fünfundsechzigjähriger Franzose aus Paris, lebt aber seit fünfundzwanzig Jahren auf Moorea, Paris sei ihm zu stressig geworden. Seine einige Jahre jüngere Frau Bertille kommt von Tahiti.
Mein Ferienhaus mit zwei Zimmern, einem Bad und einer Küche ist im Kolonialstil eingerichtet – dunkles Holz, helle Bodenplatten, bunte Stoffe. Alles ist sauber und einladend, und die grosse Terrasse mit Holzdielen inmitten von Palmen und tropischen Farnen lässt mein Herz lachen – ich werde hier draussen essen und meine Reiseberichte schreiben, denke ich mir. Bald muss ich lernen, dass man in der Südsee nicht im Garten sitzt, besonders nicht in der Morgen- oder Abenddämmerung, ausser man fühlt sich als Moskito-Futter wohl. Mein mitgebrachter Moskitoschutz-Spray in Tropenstärke wirkt gegen die Viecher kaum. In Polynesien reiben sich Menschen mit Kokosnussöl mit Ingwer ein, sitzen aber nach Sonnenuntergang generell nicht draussen in ihren schönen Gärten, sondern flüchten sich in die Häuser, wo sie, von Moskitonetzen an den Fenstern und Glimmspiralen am Boden geschützt, bei schwachem Licht fernsehen.
Der erste Kontakt mit Französisch-Polynesien geht mir also unter die Haut. Als ich die zahlreichen roten Stichstellen an meinen Armen und Beinen, die grausam jucken, mit einer beruhigenden Salbe einreibe, verfluche ich mein Streben nach polynesischer Authentizität und wünsche mich nach Hause auf meine Terrasse.
2 Gedanken zu „Südsee: Der erste Kontakt“
Ja, Authentizität birgt manchmal Überraschungen! Aber du hast dich zum Glück gut vorbereitet und dein ausfaltbares Bett mit Moskitozelt dabei. Also können wir beruhigt sein, deine Reise im authentischen Teil Polynesiens wird dir trotz Moskitos viel Freude bereiten.
Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, dass mein aufklappbares Moskitonetz das allerwichtigste Reiseuntensil war!