Je größer der Wortschatz, desto besser die Ausdruckskraft
Er ist ein wichtiges Thema im Deutschunterricht sowie in Schreibwerkstätten und Autorengruppen: der Wortschatz. Ein großer Wortschatz soll die Ausdruckskraft eines Textes steigern. Tatsächlich können wir uns das Geschriebene bildhaft vorstellen, wenn die Wörter kräftig und die Vergleiche frisch sind.
Allerdings bewirkt das Zuviel an Abwechslung manchmal das Gegenteil. Ein Buch, in dem Augen wie Zitrine szintillieren und die Entwicklung sich asymptotisch der Katastase nähert, werden wir wahrscheinlich bald wieder zuklappen. Wir alle lieben lebendige Texte und freuen uns über kleine, aber wichtige Details und präzise Schilderungen, die ohne einen reichen Vorrat an Wörtern undenkbar sind. Eine sorgfältig verfasste Beschreibung kann uns ein wahres Vergnügen bereiten, aber nur solange der Autor damit etwas Wesentliches mitteilen will. Wenn der Text zwar viele wunderbare Ausdrücke enthält, aber keine Kernidee, fühlen wir uns betrogen. Die Wortspielerei darf nicht um sich selbst willen stattfinden. Jeder Text soll eine Botschaft enthalten, die seine Existenz erst rechtfertigt. Und diese Botschaft soll klar sein. Was nützt es schon, wenn der Leser sich in zahlreichen Adjektiven und Metaphern verliert und schließlich vor lauter Wörtern keinen Text sieht?
Was ich damit sagen will: Weniger ist oft mehr. Alles Schöne will in Maßen genossen werden, so auch ein reicher Wortschatz.
2 Gedanken zu „Je größer der Wortschatz, desto besser die Ausdruckskraft“
Dem stimme gerne zu! Und es gilt wohl nicht nur für den Wortschatz, sondern für alles Wissen und Können eines Autors. Er soll mir damit eine tiefe Einsicht mitteilen, einen Sachverhalt erklären oder eine Geschichte erzählen — aber bitte nicht mir ständig vorführen, was er alles weiss und kann.
Lieber Bruno, danke für deine Äußerung, die ich mir innerlich abspeichere, zur Ermunterung und als Aufforderung, mit klaren Worten über klare Dinge zu schreiben. Denn aus dem letzten Lernheft habe ich erfahren, dass es auch andere Leser geben soll, die «von Geschriebenem nur verlangen, dass es gut geschrieben sei». Für sie bedeutet es: «die Sprache muss eine besondere sein». Manch einer soll in der Lektüre sogar «etwas anderes als Schönheit suchen, nämlich Originalität».
Hättest du gerade ein Beispiel von einem Autor, der aus deiner Sicht klar und verständlich schreibt, so wie du es gerne liest? Oder vielleicht ein Negativbeispiel?