Blaue Wasserwölfe mit glühenden Augen
Ich bin auf der Flucht vor bösen Männern. Erwischen sie mich, ist meine Mission durchgefallen. Keine Ahnung, wie ich von diesem Raumschiff verschwinden kann, doch mein Begleiter, einer aus der Elite-Truppe, hat’s im Griff. «Wir müssen durch den Hyperraum weg. Dort können sie uns nicht folgen. Das Risiko ist hoch, denn du bist nicht darauf vorbereitet wie ich. Aber das ist unsere einzige Chance.»
Den Sprung durch den Hyperraum überlebe ich. Unsere Rettungskapsel materialisiert sich in einem Gebäude, das wie ein anderes Schiff aussieht. Mit einem pistolenförmigen Navigationsgerät in der Hand führt mich mein Beschützer hinaus.
Es ist eine Stadt in Ostdeutschland. Zuerst schnell in einem Supermarkt vorbei, dann fahren wir mit der Straßenbahn an den Stadtrand. Die Bahn ist voll, Stoßzeit. Neben uns steht ein breitschultriger Mann, sein Gesicht ist wie aus Stahl gegossen. Ich weiß, das ist der ehemalige Trainer meines Bodyguards.
«Sie wird es schaffen. Sie spricht fünfzig tausend Wörter am Tag», sagt mein Bodyguard und deutet auf mich. Er ist groß und gut gebaut, warum ist es mir nicht schon früher aufgefallen?
«Fünfzig Tausend ist viel. Zu einem Bodyguard spricht man gewöhnlich zehn, höchstens zwanzig Tausend. Du hast bei ihr gute Chancen, mein Freund», meint der Trainer.
Endstation. Eine Schule, davor die Tafeln mit den Portraits der Schulleitung. Der Direktor ist Mitte Dreißig, hat dunkle Haare und einen Kieferzweig im Mund. Ich sehe genau hin. Nein, nicht im Mund, er schnuppert nur daran und lächelt verschmitzt. Ein menschlicher Zug steht einem Leiter meistens gut.
Vorbei an der Tafel und dem Schulgebäude gehen wir in den Wald. Die Gefahr ist gebannt, niemand verfolgt uns. Ein schmaler Pfad schlängelt sich vor uns einen Berghang hinauf. Der Bodyguard will voraus. Mich beschützen ist sein Job, und er steht auf mich, doppelte Motivation. Es ist sexy. Nein, zu süß. Nicht mit mir. Was der Typ kann, kann ich schon lange, schließlich ist es meine Mission, also trete ich ihm zuvor auf den Pfad und gehe voran. Und da sehe ich es direkt vor mir, in einem Bach, der den Hang hinunter über den Weg purzelt. Breitbeinig steht es da und trinkt. Ein Wesen, das ich zum ersten Mal sehe und trotzdem kenne. Es hebt den Kopf, mustert mich und taucht ins Wasser. Der Bach wird breiter und tiefer, das Wesen verschlingt mich mit den Augen durch die Wassermasse hindurch, sein Fell schimmert, die Augen glühen. Blauer Wasserwolf. Ich kann den Blick von ihm nicht abwenden, wie er durch das Wasser schwebt. Dann kommt noch einer, er gleitet einen Wasserfall herunter und schleicht heran. Und noch einer… Wir drehen uns um, eilen zurück, überall ist Wasser, in der Tiefe glühen Augenpaare…
Und dann läutet der Wecker.
Kein Wunder, dass ich am Morgen meine Ruhe brauche, denn ich muss mich erst einmal von meinen nächtlichen Abenteuern erholen.