Alex Capus «Der König von Olten»
Eine liebe Freundin schenkte mir zu Weihnachten ein Buch mit Kurzgeschichten von Alex Capus. Der schwarzweiße Kater auf dem Umschlag in Verbindung mit dem Wort «König» ließ mein Katzenherz höher schlagen und ich machte mich alsbald an die Lektüre.
Ich erwartete Katzengeschichten mit einem Hauch Philosophie, doch es war weit gefehlt. Vom besagten schwarzweißen Kater, der übrigens die Altstadt von Olten beherrschen soll, wird im Buch nicht viel berichtet. Er wird nur in den ersten sechs Geschichten überhaupt erwähnt, und selbst dort dient er als Einstieg in die Erzählung. In den Geschichten geht es um Olten. Es wird Alltägliches geschildert, die Sprache ist schlicht und nüchtern, aber schon die ersten Sätze ziehen den Leser in die Geschichte hinein, in die Atmosphäre einer Schweizer Stadt, ihre Vergangenheit und ihr heutiges Leben. Aus einfachen Worten setzen sich Bilder zusammen, die noch lange im Kopf präsent bleiben.
Für mich war die Lektüre doppelt aufschlussreich. Ich lernte einerseits etwas über die Schweizer Gesellschaft, andererseits etwas über meinen eigenen Schreibstil.
Eine Leserin sagte mir vor kurzem, mein Schreibstil sei blumig und mein Wortschatz sei enorm. Diese Aussage überraschte mich, denn ich glaubte, anspruchslos und in spärlicher Sprache zu schreiben. Erst als ich Der König von Olten las, fand ich heraus, was meine Leserin gemeint hatte. Alex Capus schreibt einfach, aber trotzdem flüssig und spannend. Sein Stil lenkt nicht vom Inhalt ab, sondern bringt ihn erst recht zur Geltung. Im Vergleich dazu schreibe ich geradezu verschnörkelt.
Was mir bei der Lektüre eine Freude machte, waren die oft vorkommenden längeren Sätze. Ich mag lange Sätze, sie haben Substanz. Im Belletristik-Lehrgang werden angehende Autoren aufgefordert, lange Sätze zu vermeiden. Ich finde es nicht grundsätzlich falsch, aber es bleibt Ansichtssache, ab welcher Satzlänge es zu viel wird. Ein Satz, der sich über mehrere Zeilen erstreckt, muss nicht zwangsläufig unübersichtlich sein, es geht ja schließlich immer darum, die Satzlänge dem Inhalt anzupassen. Zum Beispiel finde ich Theodor Fontanes Sätze gerade angenehm lang. Aber klar, so wie Fontane kann man heute nicht schreiben, also trenne ich beim Überarbeiten meiner Rohtexte längere Sätze brav in mehrere Teile. Vielleicht kann ich es künftig weniger radikal tun und hier und da einen längeren Satz stehen lassen. Der König von Olten gibt mir Mut dazu.
Leseempfehlung?
Ja. Jeder, der schreiben lernt, sollte Alex Capus‘ Geschichten lesen. Hier sind drei Dinge, die man daraus lernen kann:
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Beobachtungen des Alltags zu Geschichten entwickeln.
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Atmosphäre schaffen.
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Ungekünstelt schreiben, aber auch Regeln brechen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!